Motorschirme on tour - vom Harz bis an die Schweizer Genze
722 km mit dem „Rucksackmotor“ vom Harz bis an die Schweizer Grenze bei Basel - ein Bericht von Nils Bliesemann
Ein Jahr warten sollte am 06.Juli 2013 vorbei sein. Worauf warten ? Wie auch in den letzten Jahren
trifft sich eine Gruppe von neun Gleichgesinnten um eine Woche gemeinsam Urlaub zu verbringen.
Das besondere ist, es sind alles Motorschirmpiloten. Sie kommen aus Rostock, Berlin, Bonn,
Bamberg, Alzey, Hamburg, dem Harz und der Ostseeinsel Fehmarn. Was haben sie vor?
Deutschland aus der Luft erkunden. Start ist immer das Airfield Stapelburg zwischen Bad Harzburg
und Wernigerode. Von hier ging es 2012 rund um Berlin , 2011 um den Ostharz nach Greiz und
dann über den Thüringer Wald nach Korbach, 2010 zum Bodensee, 2009 zum Schloß
Neuschwanstein/Füssen. Übernachtet wird im Zelt, im Hangar, manchmal auch im
Flugplatzgebäude. Ein Versorgungsfahrzeug folgt den Fliegern und sorgt für den nötigen Treibstoff
für die Motoren. Des weiteren transportiert dieses Fahrzeug die Campingausrüstung, die Tische und
Bänke und versorgt sie mit allem was sie für ihr leibliches Wohl benötigen. Eine weitere wichtige
Aufgabe obliegt dem Fahrer: Er sammelt die Piloten ein , die aus welchen Gründen auch immer ein
Etappenziel nicht erreichen können.
Die Tour 2013:
Dieses Jahr war das grobe Ziel „Weinberge“. Alle Teilnehmer waren bis Samstagmittag
eingetroffen. Somit starteten wir unsere diesjährige D-Tour am Samstagnachmittag vom Airfield
Stapelburg mit einem Flug (68km) über den Harz, am Brocken (1141m ü. NN) vorbei, nach
Günterode (Flugplatz Göttingen - Heilbad Heiligenstadt) (EDHD). Übernachtung auf dem Platz
erfolgte in unseren Zelten.
Am Sonntagmorgen wurde Kassel im Südosten umflogen (78km) um auf dem Gelände Wolfhagen
(EDGW) einen Zwischenstop zur Betankung einzulegen. Hier unternahmen einige Modellbauer
Einstellungsflüge mit ihren bis zu 2,5m großen Modellflugzeugen. Bevor die Thermik richtig in
Gange kommen konnten ging es auf zu einer 2.Etappe (55km) an diesem Morgen. Ziel war Marburg
– Schönstadt (EDFN). Diesen Platz kannten wir schon von unserer Thüringer-Wald- Tour. Es gab
Strom zum laden unserer Funkgeräte , ein gutes Flugplatzrestaurant und mal wieder eine Dusche.
Am Abend erfolgte der Start (76km) zu unserem heutigen Zielfluggelände „Elz“ bei Limburg.
Dieser Platz liegt in einer Waldschneise. Vom Hangar aus hat man einen schönen Blick auf den
nachts beleuchteten Limburger Dom.
Montagmorgen Start in aller Frühe. Der Flug (88km) führte uns südlich an Koblenz vorbei. Wir
konnten das Deutsche Eck, dort wo Mosel und Rhein zusammenfließen, bewundern. An der
westlichen Seite der Kontrollzone des Flugplatzes Hahn flogen wir an der Mosel entlang um auf
dem, in einer Moselschleife liegenden Platz, Traben-Trabach (EDRM) einzulanden. Da der Wind
sehr stark wurde erfolgte ein Kulturtag in Traben-Trabach mit lecker Eis und die Aussicht auf die
Weinberge am Hang. Auf dem Plateau gibt es die Reste der französischen Festung Mont-Royal aus
dem Ende des 16.Jahrhunderts. Auch ein Klettergarten mit 1,5 km Seilbahnen in verschiedenen
Schwierigkeitsgraden ist hier angesiedelt. Den Sonnenuntergang vom Landegelände oberhalb des
Ortes zu sehen war ein tolles Erlebnis. Als es dunkel wurde konnte man die Orte an den
Moselschleifen durch die Beleuchtung der Häuser und Straßen erahnen. Plötzlich erschienen
weitere Fliegerkollegen: Fledermäuse und Glühwürmchen.
Dienstagmorgen Start mit Flugrichtung nach Süden um die Kontrollzone des Flugplatzes Hahn zu
umfliegen. Unterhalb der Zone wurde der Kurs nach Osten korrigiert. Ziel nach 50km Flugstrecke
sollte Idar-Oberstein (EDRG) sein. Das Besondere an diesem Platz: hier ist von morgens bis abends
ein Schwenkgrill in Betrieb. Es riecht nach lecker Steaks, Kamm und Braten. Der Grillmeister ist
auch gleichzeitig der „Tower“. Da es thermisch wurde warteten wir auf diesem Platz bis zum
Abend. In dieser Zeit waren viele skurrile Flugbewegungen: Ein UL-Pilot holte den genialen
Selleriesalat mit dem Flugzeug für seine zuhause wartende Frau. Ein Hubschrauber der US-Army
verblies bei der Landung die Bahnbegrenzungen. Die 4-köpfige Besatzung stellte die Hütchen
wieder auf ihren Platz und ging dann zum Steakessen. (Dieses Spiel machen sie, wie man uns sagte,
jeden Tag). Zwei Bundeswehrhubschrauber landeten zum Kaffeetrinken ein. Mehrere ULDoppeldecker
trafen sich um Filmaufnahmen zu machen.
Es gibt auch negatives zu berichten. Ein zum Akkuaufladen an eine Steckdose angeschlossenes
Funkgerät war plötzlich verschwunden und nicht wieder auffindbar. Da hatte jemand klebrige
Finger.
Um 18.30 Uhr Start zum nächsten Zwischenziel. Es sollte der UL-Platz Roßberg-Becherbach
werden. Flugstrecke 25km. Hier ging es erst einmal Richtung Osten an der Flugverbotszone ED-R
Baumholder vorbei um dann die Flugrichtung auf den kleinen Platz zu korrigieren. Per Flugfunk
wurde uns angeboten den Grill schon mal anzuheizen. Genial. Zur Landung standen Landebier und
Nackensteaks bereit. Hier durften wir Zelten, sowie auch im Hangar und Gebäude schlafen. Danke.
Start (42km) am Mittwochmorgen mit dem Ziel Bad Dürkheim (EDRW). Wenn man von Westen
über den Bergrücken auf Bad Dürkheim kommt erstreckt sich ein riesiges Weinanbaugebiet vor
einem. Zeitgleich schießt jedem Motorschirm-Piloten der Gedanke in den Kopf: Wo kann ich hier
im Falle eines technischen Defektes eine Außenlandung erfolgreich beenden ? Erfolgreich soll
heißen , Pilot und Fluggerät sind ein weiteres Mal einsetzbar. Locker gesagt: Ein Tanz auf dem
Drahtseil. Am Tower des Flugplatz Bad Dürkheim hängen Balkonkästen prall gefüllt mit
Blumen. Es sieht alles sehr gepflegt aus. Der Platz ist super ausgestattet. Restaurant, Badesee gleich
neben der Landepiste. Kuriosum: Wenn ein Flieger rein kommt, gehen kurz vor der Landung
Schranken auf der Straße vor der Schwelle zu. Da es an diesem Platz für uns zu windig wurde
konnten wir an diesem Tag nicht mehr weiterfliegen.
Donnerstagmorgen Start (46km) nach Bruchsal (EDTC). Der Flug ging über Wein- und
Obstanbaugebiete und am Kernkraftwerk Philipsburg vorbei. Der Platz Bruchsal ist
„elektrisierend“. Kommt man näher an den Platz , erkennt man die großen Hochspannungsmasten.
Obwohl diese rotweiß angemalt sind, also gut zu erkennen, flößen sie Respekt ein.
Thermisch bedingt legten wir mal wieder eine Pause ein. Plötzlich gab es eine thermische
Ablösung. Es entstand ein Dust-Devil. Dieser sog das am Boden liegende Heu weit in den Himmel.
Kurze Zeit später erschien ein Landwirt um sein Heu zu wenden. In einer Ecke der Wiese gab es
nichts mehr zu wenden. Plötzlich erschienen 12 Störche und suchten unter dem gewendeten Heu
nach Nahrung. Ein beeindruckendes Bild. Ein weiteres Highlight an diesem Platz war die
Werksführung bei einem Hersteller für einen manntragenden Elektrocopter. (http://www.evolo.
com/de/)
Am Abend hoben wir dann ab (90km) nach Ohlsbach. Ohlsbach-Airport ist eine kleine Wiese mit
einer Gartenhütte für den Rasenmäher, und einen Hochsitz für den Jäger. Hier erwartete uns eine
Starkwindlandung. Wir tropften alle senkrecht vom Himmel. Auf dem Gelände ist das Zelten
eigentlich nicht erwünscht, doch wir erhielten vom Bürgermeister persönlich die Erlaubnis.Leckeres
Essen bekamen wir um 21.30 Uhr noch bei einem Dorffest.
Nach einer kurzen Nacht erfolgte der Abflug (64km) nach Bremgarten (EDTG). Dieses ist ein Platz
südwestlich von Freiburg. Diesen Flugplatz konnten wir nur mit einer Außenstart- und
Landeerlaubnis nach §25 anfliegen. Diese wurde vom zuständigen Regierungspräsidium kurzfristig
zur Verfügung gestellt.
Auf diesem Platz wurde genaustens darauf geachtet das wir auf der Graspiste landen. Auch der Start
am Abend hatte auf der Piste zu erfolgen. Nur blöd das Motorschirme genau gegen den Wind
starten müssen. Somit wurde die Piste im 90° Winkel zum Landen und Starten benutzt, ohne die
daneben liegende Asphaltbahn zu kreuzen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten verließen wir auch
diesen Platz als Freunde und dürfen wiederkommen. Wer den Platz kennt weiß wie riesig die
angrenzenden Grasflächen sind. Dort könnte man Landen und Starten ohne die Flugbewegungen
auf den beiden Pisten zu stören.
Der Abschlußflug (40km) der diesjährigen Deutschlandtour ging nach Herten-Rheinfelden (EDTR)
direkt an der Schweizer Grenze gegenüber von Basel. Hier haben wir den Tag und das Ende des
Flugteils der D-Tour im Flugplatzrestaurant ausklingen lassen.
Am Samstagmorgen haben wir dann alle Fluggeräte in unser Versorgungsfahrzeug verpackt und uns
auf die 666 km lange Rückreise über die Autobahnen nach Norden gemacht.
Auf 11 Fluggeländen wurden wir herzlich aufgenommen. Auf Platz 12 (Bremgarten) wohl in
Zukunft auch. Überzeugender können Motorschirmpiloten nicht auftreten.
Auf die telefonische Anmeldung , genannt „PPR“ hin bekamen wir bei allen Plätzen nützliche
Hinweise und Tipps zu An-und Abfluggeflogenheiten, welche auch peinlichst von uns beachtet
wurden.
Es gab aber auch bei einer PPR-Anmeldung per Telefon, im Hintergrund einen Kommentar: „Die
solle bloß wegbleibe“. Dieser Platz wurde von uns dann auch nicht aufgesucht.
Zu wünschen wäre das uns die Fliegerkollegen der anderen Fluggeräteklassen als Flieger
anerkennen und uns nicht Knüppel in den Weg legen. Das wir uns legal von Platz zu Platz durch
Deutschland hangeln können zeigt auch wieder die diesjährige Tour. Nur in einigen Ecken unseres
schönen Landes sind die UL-Plätze nicht so reichlich vorhanden und dann noch abgelehnt zu
werden ist nicht fair.
Wir haben viele Piloten aller Alters- und Fluggeräteklassen getroffen. Anekdoten aus den Anfängen
der Fliegerei gehört. Nette Gespräche mit Piloten und Platzhaltern gehabt. Super schöne Gegenden
aus der Vogelperspektive betrachten dürfen und freuen uns doch schon auf das Jahr 2014.
Mal sehen wohin der Wind uns dann treiben wird.
Ein besonderer Dank gilt unserer Bodencrew Jörg und Uwe, sowie dem Mann mit dem heißen
Draht für Organisation,Wetter und Behörden : Knut Jäger von der Harzer Gleitschirmschule.
Nils Bliesemann
Datum: 19.07.2013
Größe: 336 Elemente